By Hipathos-Team
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December 14, 2025
Das Projekt ist gut vorbereitet, die Unterlagen stimmig, der Zeitplan realistisch. Im ersten Termin rechnet das Leitungsteam mit Zustimmung und bekommt stattdessen etwas ganz anderes: angespannte Stille, skeptische Blicke, viele Rückfragen. Schon in der ersten Kommunikation wird der Ton kritisch, es werden Fragen nach der Entscheidungsgrundlage und den konkreten Auswirkungen auf die tägliche Arbeit gestellt. Das Leitungsteam ordnet die Rückmeldungen anschließend als Widerstand ein, das Veränderungsvorhaben müsse noch besser vermittelt und überzeugender begründet werden. Oft geht es dann schnell in die falsche Richtung. Dabei wird Widerstand in der Praxis und in der gängigen Lehrmeinung häufig missverstanden. Die Missverständnisse Menschen haben generell etwas gegen Veränderung Die Forschung sagt was anderes: Menschen wehren sich nicht grundsätzlich gegen Veränderung, sondern gegen Verluste. Verlust von Status, Sicherheit, Komfort, Einfluss oder auch gegen Ideen, die als unplausibel erlebt werden. Oft wird also nicht die Veränderung bekämpft, sondern der Verlust von etwas. Wer Widerstand pauschal als Change-Aversion deutet, übersieht das tieferliegende Problem und behandelt nur die Symptome. Widerstand sitzt im Individuum ("die sind halt schwierig") Dieses Bild ist tief in Lehrbüchern und Management-Sozialisation verankert. Menschen resistieren und Manager müssen es überwinden, so die quasi universell akzeptierte Denkrichtung in nahezu jedem Management-Lehrbuch. Dabei war der Ursprung des Begriffs Widerstand mal systemisch gedacht: Als Kräftefeld, das alle betrifft, nicht als Makel einzelner Blockierer. Bis heute gibt es viele Erkenntnisse, dass Widerstand sehr stark vom (organisationalen) Kontext abhängt und nicht primär von Persönlichkeitsdefiziten. Widerstand ist per se schlecht und muss weg Die alte Logik " Widerstand ist Störung => entfernen" ist inzwischen überholt. Widerstand liefert auch hilfreiche Informationen liefern. Klug genutzt liefert er wichtige Beiträge für den weiteren Weg. Wird er aggressiv bekämpft, erzeugt er noch mehr Stress und schlechte Dynamiken. Widerstand löst sich, wenn wir die Mitarbeiter nur gut genug "hineinkaufen" Buy-In ist gängige Lehrmeinung. Ein "Buy-in" ist auch nicht grundsätzlich falsch, aber als Allheilmittel gefährlich, weil es Widerstand oft als Überzeugungs- und Kommunikationsproblem missdeutet. Es entsteht dann schnell Überzeugungs- und Disziplinierungsarbeit. Das echte Klären und Aushandeln rückt in den Hintergrund, im Vordergrund steht, dass alle "auf Linie" gebracht werden. Der Kampf gegen Widerstand erzeugt neuen Widerstand Zustimmung ohne Gestaltungs- und Wahlmöglichkeiten bedeutet nur Anpassungsdruck. Menschen tragen Veränderungen eher mit, wenn sie eine tatsächliche Wahl und Gestaltungsmöglichkeiten beim Was und Wie haben, nicht nur Information oder "Mitnahme-Kommunikation". Der Deutungsrahmen, dass Widerstand überwunden werden müsse, erzeugt häufig noch mehr Widerstand. Wenn Führungskräfte Widerstand erfahren, planen sie schnell gegen die Betroffenen: sie halten Informationen zurück, steuern Kommunikation taktisch und argumentieren verkaufend. Das kann genau das Misstrauen erzeugen, das man eigentlich vermeiden wollte. Widerstand ist Diagnose Wenn wir Widerstand nicht mehr als Störung sehen, sondern als Datenpunkt, verändert sich die Arbeit der Führung weg von "Wie kaufen wir die Mitarbeiter hinein?" hin zu drei besseren Leitfragen: 1. Was steht für die Betroffenen real auf dem Spiel (Verlust der Rolle, Identität, Zugehörigkeit, Unfairness, Mehraufwand, Kompetenzverlust)? 2. Welche Inkonsistenzen produziert das neu geschaffene System gerade (Ziele, Ressourcen, Anreize, Entscheidungswege) und macht Widerstand zur naheliegenden (manchmal einzigen) Reaktion? 3. Wo brauchen die Betroffenen echte Mitsprache und Gestaltungsspielraum (Was, Wie, Tempo) statt nur Information und Zustimmung? Der Hipathos-Ansatz: Widerstand nicht romantisieren, aber zumindest entstigmatisierten. Er ist kein Fehler im Mensch, sondern vielmehr ein Hinweis darauf, wo Change gerade nicht anschlussfähig ist. Und genau dort liegt der Hebel für wirksame Veränderung. Wollen Sie mehr darüber lesen, wie wir arbeiten?